Wiesbaden/Frankfurt, 23. März 2023
Cinema Archipelago – der Osten eine Insel?
Bereits zum zweiten Mal präsentiert goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films das interdisziplinäre Rahmenprogramm Cinema Archipelago mit der besonderen Unterstützung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain. goEast hat wieder die Möglichkeit, mit diesem speziellen Festivalprogramm neue mediale Ausdrucksformen im mittel- und osteuropäischen Raum auszuleuchten. Infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist in der Kulturszene und Filmbranche im post-sowjetischen Raum ein akuter Wunsch nach Dekolonialisierung entstanden. Das Symposium „Decolonizing the (Post-)Soviet Screen” bringt Wissenschaft, Filmerbe und filmische Praxis zusammen unter der Leitung von Barbara Wurm und Heleen Gerritsen. Zu sehen gibt es Werke aus ehemaligen Sowjetstaaten, aber auch Filme von Filmschaffenden aus indigenen oder bisher marginalisierten Gruppen, die versuchen, ihre Identität und ihr Verhältnis zur dominanten russischen Kultur neu zu definieren.
RheinMain Kurzfilmpreis – Native Edition
Bereits zum 4. Mal vergibt goEast in diesem Jahr den mit 2.500 Euro dotierten RheinMain Kurzfilmpreis. Eine dreiköpfige regionale Jury entscheidet über den Gewinnerfilm. Die Besonderheit ist dieses Jahr, dass die Kurzfilme von indigenen Filmemacher:innen sowie von Filmschaffenden aus marginalisierten Gruppen stammen. In der russischen Föderation sind 185 ethnische Minderheiten zu Hause. Auch die zentralasiatischen Republiken sind ethnisch sehr divers; die offiziellen Landesgrenzen künstlich und arbiträr. Die Kurzfilme im diesjährigen Wettbewerb kommen aus den autonomen Republiken Kalmückien (EXULTATION 2022, Arslan Manasyan), Sakha (AITAL 2021, Vladimir Munkuev) und Tschetschenien (NO NATION WITHOUT CULTURE 2022, Vladlena Sandu) sowie aus Usbekistan (TALE 2022, Kamila Rustambekova und ARALKUM 2022, Daniel Asadi Faezi und Mila Zhluktenko) und Kirgisistan (NEITHER ON THE MOUNTAIN NOR IN THE FIELD 2022, Gulzat Egemerdieva). Sashko Protyakh aus der Ukraine drehte KHAYT (2021), einen futuristischen Kurzfilm, in dem er über eine von der Asow-Griechischen Kultur geprägte Zukunft für die – inzwischen komplett zerstörte – Hafenstadt Mariupol fantasiert. Die Filmemacher:innen sind in Wiesbaden anwesend. Nach dem Festival gehen die Kurzfilme durch die Kinos der Rhein-Main-Region auf Tour.
Geschichten aus dem Badehaus
Die für Wiesbaden traditionelle Badehauskultur, wird auch in Osteuropa gepflegt. Nach dem erfolgreichen Experiment im vergangenen Jahr, kehrt das Festival mit dem diesjährigen Virtual-Reality-Programm in das virtuelle Badehaus zurück. goEast und Gastkurator Georgy Molodtsov bieten dieses Jahr drei Gruppen von mittel- und osteuropäischen Künstler:innen die Möglichkeit, ihren Stand-Alone-VR-Arbeiten ein zweites Leben einzuhauchen, indem sie in eine Multiplayer-Online-Umgebung umgewandelt werden. goEast verleiht den Werken damit eine größere Sichtbarkeit und lässt die künstlerische VR-Welt aus dem Schatten der von Unterhaltungsspielen dominierten Branche treten.
Das goEast-eigene Badehaus lädt das Publikum ein, online in ihren besten Avatar-Badeoutfits zu schlüpfen und in die künstlerisch gestaltete Welt einzutauchen oder aber die kreativen Werke der Gestalter:innen im neuen Festivalstandort Altes Gericht in Wiesbaden zu erkunden. Die „Geschichten aus dem Badehaus“ sind frei zugänglich.
TikTok 2023
Was beschäftigt die Generation Z im Jahr 2023? Identitätsfragen, Rassismus, der russische Angriffskrieg – junge TikToker:innen sprechen sich aus oder schlüpfen für kleine Sketches in die Haut eines Alter Egos, wie „der undankbare ukrainische Flüchtling“ oder der „Balkan Dad“. Erneut sammelt goEast TikTok-Videos aus unserer Fokusregion sowie von jungen Osteuropäer:innen im Exil und präsentiert dem Festivalpublikum eine Collage aus existenzieller Angst, absurden Tanzvideos, unbequemen Meinungen und schlechten Wortwitzen auf der großen Leinwand.
„Space Age Animation“ aus Ungarn und Estland + Estonian Funk Embassy
Estland und Ungarn sind nicht nur sprachlich verwandt durch ihre Zugehörigkeit zur finnougrischen Sprachgruppe, sondern haben auch ihre einzigartige Animationsfilmkultur gemeinsam. Im Tallinn und Budapest der 1970er und 1980er Jahre erlaubte es die marginale Position des Animationsfilms, den Künstler:innen abseits der Mainstream-Filmkultur subversive und experimentierfreudige Werke zu schaffen, häufig an der Zensur vorbei.