Erste Programmpunkte 2024 // Symposium “Die anderen Queers – Filmbilder von Europas Peripherie ” // Nachwuchsförderung im East-West Talent Lab

Wiesbaden/Frankfurt, 31. Januar 2024

Seit 2001 verwandelt das vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstaltete goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden alljährlich in einen der international wichtigsten Schauplätze für das Kino aus Mittel- und Osteuropa. goEast erreicht mit seinem aus Filmvorführungen und begleitenden Veranstaltungen bestehenden Programm nicht nur das regionale Publikum, sondern auch Communities mit osteuropäischer Migrationsgeschichte sowie Fachbesucher:innen aus der internationalen Filmbranche. Dabei zeigt das Filmfestival aktuelles Kino aus Mittel- und Osteuropa und bietet eine Plattform für gesellschaftspolitische Debatten. In historischen Programmen macht goEast das Filmerbe aus Mittel- und Osteuropa sichtbar, oft in Zusammenarbeit mit Archiven im In- und Ausland. Diese Reihen werden von qualifizierten Gastkurator:innen und Kinoprofis sorgfältig zusammengestellt. Im goEast-Symposium treffen Filmwissenschaft und die Filmbranche aufeinander, im Wettbewerb wird aktuelle Filmkunst aus Mittel- und Osteuropa in Anwesenheit der Filmschaffenden gezeigt, im begleitenden Programm ist auch Platz für Videokunst, digitale audiovisuelle Formate und VR, und im East-West Talent Lab wird der Filmnachwuchs aus Mittel- und Osteuropa aktiv unterstützt. goEast ist darüber hinaus auch ein Ort, an welchem Filmgäste sich vernetzen und austauschen sowie aktuelle gesellschaftspolitische Themen diskutieren.

Sparmaßnahmen 

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine vor knapp zwei Jahren markierte eine historische Zäsur, die darüber hinaus auch finanzielle Folgen für goEast hatte. Angesichts stetig steigender Kosten sieht sich goEast trotz der gleichen Höhe der Förderung und Unterstützung durch die HessenFilm & Medien GmbH, die Landeshauptstadt Wiesbaden und den Kulturfonds Frankfurt RheinMain 2024 daher gezwungen, das Programm stark zu kürzen. Darüber hinaus muss goEast die Zahl der eingeladenen Filmgäste um fast die Hälfte reduzieren. “Die Fokusregion von goEast bleibt hochaktuell. Statt beim Personal und den finanziell besonders aufwendigen historischen Programmen wie dem Symposium zu kürzen, blieb uns in diesem Jahr nichts anderes übrig, als drei Programmsparten komplett zu streichen, die traditionelle Hommage, das Programm Bioskop und das VR/XR-Programm, da für goEast Osteuropakompetenz, höchstspezialisiertes Fachwissen sowie technische Kompetenzen unabdingbar sind. Wir hoffen trotz allem auf regen Publikumszuspruch und extra Einnahmen, die klar machen, dass dieses Festival mit seiner großen programmatischen Spannbreite relevant und gewollt ist.“ – Festivalleiterin Heleen Gerritsen.

Trotz der Kürzungen arbeitet das von Gastkurator:innen verstärkte goEast-Team natürlich voller Elan am Programm. goEast lädt vom 24. April bis 30. April 2024 in Wiesbaden dazu ein, das mittel- und osteuropäische Kino in Filmvorführungen, -gesprächen und bei Begegnungen mit Filmschaffenden kennenzulernen.

Symposium: “Die anderen Queers – Filmbilder von Europas Peripherie ”

Beim Symposium widmet sich goEast seit 2001 Themen, Regionen und Strömungen des mittel- und osteuropäischen Kinos aus filmhistorischer, soziologischer und -politischer Sicht. Als Teil der Reihe Cinema Archipelago wird das Programm 2024 erneut vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain gefördert.

2023 verzeichnete das Symposium mit dem Titel „Decolonizing the (Post-) Soviet Screen“ einen Besucherrekord. Mehr als 3.000 Fachbesucher:innen aus dem In- und Ausland besuchten die Veranstaltungen und Filmvorführungen. 2024 versammelt das Kuratorinnenduo Jasmina Šepetavc (Universität Ljubljana, LGBT Film Festival Ljubljana, Slowenien) und Yulia Serdyukova (Freefilmers, Kyjiw) Filmwissenschaftler:innen, Aktivist:innen, Filmschaffende, Studierendengruppen und Kolleg:innen von anderen Festivals mit einem Queer-Film-Schwerpunkt unter dem Motto „The Other Queers“ im Museum Wiesbaden.  Diskussionsrunden und Vorträge von anerkannten (Film-) wissenschaftler:innen wie Nebojša Jovanović und Katna Čičigoj geben den theoretischen Rahmen der Veranstaltung vor.

Global gesehen konzentriert sich die Diskussion über queere Filmgeschichte immer noch unverhältnismäßig stark auf westliche Filmbilder. Die Diskussion über Queerness impliziert einen aufgeschlossenen Westen und ein homophobes Osteuropa und verstärkt die Vorstellung, dass sich der Westen linear zu mehr Toleranz, Akzeptanz und öffentlicher Sichtbarkeit von LGBTQ+ entwickelt, während der Osten aufgrund seiner Vergangenheit „hinterherhinkt“. Diese Vorstellung von einer homophoben Vergangenheit und einer liberaleren Haltung gegenüber Queerness nach der Wende trifft oft nicht zu. Die Symposiumsfilme stellen unter anderem osteuropäische Bilder von LGBTQ+ vor, die oft in einem ambivalenten Verhältnis zur öffentlichen Haltung gegenüber Homosexualität standen.

Die Sichtbarmachung und Stärkung marginalisierter filmischer Sprachen und Stimmen aus Mittel- und Osteuropa jenseits dominanter Mainstream-Narrative gehört seit der Gründung des goEast Filmfestivals zu seinen zentralen Aufgaben. Auch im Symposium 2024 kommt dies zum Tragen. Das Filmprogramm besteht aus historischen und zeitgenössischen Filmen, darunter die Langfilme FIVE MINUTES OF PARADISE (Pet minuta raja, Jugoslawien, 1959) von Igor Pretnar, DUBRAVKA (Дубравка, Ukrainische SSR, 1967) von Radomir Vasilevsky, KILL ME GENTLY (Ubij me nežno, Jugoslawien, 1979) von Boštjan Hladnik und A SEVERE YOUNG MAN (Строгий юноша, Sowjetunion, 1935) von Abram Room. Ergänzt wird das Programm durch diverse Kurzfilmprogramme: Queeres und subversives Kino aus der Ukraine, ein Programm mit Kurzfilmen aus Zentralasien und den Kaukasus, kuratiert vom Künstlerkollektiv krёlex zentre aus Kasachstan, Queer Feminist Porn Shorts und Kurzfilmen aus dem ehemaligen Jugoslawien.  Das krёlex zentre wird auch das Gesamtprogramm eröffnen mit einer Performance im Murnau-Filmtheater. Zusätzlich wird es eine Musikvideo-Kompilation von Pionierarbeiten aus der queeren alternativen Szene Osteuropas zwischen 1985 und 1999 geben, zusammengestellt von der Filmwissenschaftlerin und Musikredakteurin Natalie Gravenor.

Einreichfrist am 27. Februar: das East-West Talent Lab

Das East-West Talent Lab hat sich in der internationalen Filmbranche fest etabliert. Ehemalige Teilnehmer:innen wurden schon für den Europäischen Filmpreis nominiert:  MOTHERLAND von Aleksander Mihalkovich und Hanna Badziaka aus Belarus. Drei East-West Talent Lab Alumni sind mit ihren Filmen Teil des Forums der diesjährigen Berlinale: Produzent Michael Kalb mit SHAHID, Produzent Thomas Kaske mit THE NIGHTS STILL SMELL OF GUNPOWDER und die Produzentin Ewelina Rosinska mit WHAT DID YOU DREAM LAST NIGHT, PARAJANOV? Auch 2024 unterstützt goEast Filmschaffende und Nachwuchstalente aus Mittel- und Osteuropa, vernetzt sie untereinander und mit Kolleg:innen aus Hessen, bzw. aus ganz Deutschland. Der Schwerpunkt des Programms, unter der Leitung von Andrea Wink, liegt erneut auf dokumentarischen Formaten. Bis zum 27. Februar 2024 können Filmschaffende aus Mittel- und Osteuropa ihre Projektideen in Entwicklung einreichen. Auch Produzent:innen ohne Projekt aus Mittel- und Osteuropa sowie aus Deutschland können sich für die Teilnahme am East-West Talent Lab bewerben. 2024 werden erneut zwei Preise vergeben: Das mit 3.500 Euro dotierte RenovabisRecherchestipendium für ein Dokumentarfilmprojekt zum Thema Menschen- und/oder Minderheitenrechte und der Pitch the Doc Preis, ein Training zur Unterstützung der Projektentwicklung (im Wert von 500 Euro). Die Teilnehmer:innen erwartet an fünf Tagen ein volles Programm bestehend aus einer Masterclass, Workshops, dem goEast Human Rights Sunday, Vernetzungsmöglichkeiten mit Fernsehredaktionen und Förderanstalten sowie diverse Filmvorführungen.

Bildmaterial finden Sie in unserem Downloadbereich.

Das komplette Programm für die 24. Ausgabe von goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird im März veröffentlicht.

goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films wird vom DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum veranstaltet und von zahlreichen Partnern unterstützt. Hauptförderer sind die HessenFilm und Medien GmbH, die Landeshauptstadt Wiesbaden, der Kulturfonds Frankfurt RheinMain, das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis, die Central and Eastern European Online Library GmbH / CEEOL. Hauptmedienpartner sind 3sat, Deutschlandfunk Kultur und die Frankfurter Allgemeine Zeitung.